Prägung und Vorbilder: Der Vater Ludwigs II., Maximilian II., hatte seit 1832 das unweit gelegene Schloss Hohenschwangau neugotisch ausstatten lassen, das im Mittelalter Sitz der Herren von Schwangau gewesen war. Hier lebte sich Ludwig, 1845 geboren, in die Mittelalterverehrung ein. Er lernte Sagen und Geschichte von den Wandbildern und aus eifriger Lektüre. Entscheidend prägte ihn seit 1861 die Begegnung mit den Musikdramen Richard Wagners, die mittelalterliche Sagen mit unvergleichlich wirkungsmächtiger Musik überhöhten. Zunächst erlebte Ludwig »Lohengrin« und »Tannhäuser«. Später folgten »Tristan und Isolde«, der »Ring des Nibelungen« und Wagners Umsetzung der Sage von dem Gralskönig Parzival (»Parsifal«), mit dem Ludwig II. sich in seinen letzten Jahren identifizierte und mit dem er von Wagner identifiziert wurde. Eine der berühmtesten deutschen Burgen, die Wartburg, war 1867 gerade neu ausgestattet und instand gesetzt worden und wurde zu einem unmittelbaren Vorbild. In historischen Formen zu bauen bedeutete dem 19. Jahrhundert, die alten Stile zu »vollenden«, und zwar auch mit Hilfe moderner Technik und der Geschichtswissenschaften. Ludwig II. glaubte als ausgeprägter Idealist an solche Vollendung wie kein anderer mehr in seiner Zeit.
Räume und Ideale: Die Haupträume Neuschwansteins sind großenteils mit szenischen Wandbildern der germanischen und nordischen Sagen ausgestattet, die auch Richard Wagner interpretiert hatte. Das Programm entwarf der Kunst und Literaturhistoriker Hyazinth Holland. Von Beginn an wollte Ludwig II. als Denkmal der ritter lichen Kultur des Mittelalters den »Sängersaal« der Wartburg, viel größer und prächtiger als dort, in seiner »Neuen Burg« einrichten. Daraus wurde eine Kombination aus den Motiven zweier Wartburgsäle, »Sängersaal« und »Festsaal«, die jedoch nicht für Aufführungen oder gar Feste vorgesehen war. Der andere Denkmalraum, der Thronsaal, kam erst ab 1881 hinzu. Mit ihm wollte Ludwig II. in seinen späteren Jahren die sagenhafte Gralshalle verwirklichen, wie sie von mittelalterlichen Dichtern beschrieben wurde, um das christliche Königtum zu verherrlichen. Die Raumform bezieht sich aber auch auf seine Dynastie. Das Raumprogramm, das umfänglichste und komplizierteste des ganzen 19. Jahrhunderts, hat der vielseitig interessierte und belesene Ludwig II. selbst entworfen. Der Raum musste aus statischen Gründen – wie ein moderner Zweckbau – als leichte Eisenkonstruktion ausgeführt werden und wurde dann mit Gips verkleidet. Jeder der anschließenden Wohnräume ist einer Sage gewidmet. Ab 1880 wurde ein »Kabinett« zu einer kleinen künstlichen Grotte ausgebaut, in Erinnerung an die »Venusgrotte« im »Tannhäuser«, mit farbiger elektrischer Beleuchtung und echtem Wasserfall.
Obwohl hoch verschuldet, wollte Ludwig II. stets weiter bauen. Als Banken mit Pfändung drohten, betrieb die Regierung seine Entmündigung und ließ ihn in Schloss Berg internieren. Dort fand er am 13. Juni 1886 im Starnberger See den Tod.
(Quelle Bayerische Schlösserverwaltung)
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